Direkt zum Hauptbereich

Review: R.A.P. Ferreira & Scallops Hotel - Bob's Son (2021)

Rory Allen Philip Ferreiras Initialen sind tatsächlich R.A.P., so scheint es wenig verwunderlich, dass er genau das tut. Als R.A.P. Ferreira hat er in diesem Jahr sein zweites Studioalbum nach Purple Moonlight Pages von 2020 veröffentlicht, allerdings hat er schon seit 2011 diverse Projekte unter dem Namen Milo herausgebracht. Und auch hinter dem Producer-Pseudonym Scallops Hotel verbirgt er sich selber. Bob's Son: R.A.P. Ferreira in the Garden Level Cafe of the Scallops Hotel, wie das Album eigentlich vollständig heißt, ist also quasi eine Kollaboration zwischen ihm und sich selbst.

Das ganze Album ist als Hommage an den Beat Poeten Bob Kaufman konzipiert, dessen surrealistische Gedichte und Verbundenheit mit dem Jazz viele der Songtitel und lyrischen Themen auf Bob's Son inspiriert haben. Auch andere Dichter der Beat Generation werden zitiert, wie z.B. mit dem Sample eines Gedichts von Ted Joans auf "sips of ripple wine".
Der gesamte Sound des Projekts mutet ebenfalls surrealistisch an, wie ein roter Faden ziehen sich ein leierndes Lofi-Jazz-Piano, scheppernde Drums und knisternde Samples durch die zwölf Tracks. Diese beinhalten beispielsweise Instrumente wie eine Harfe, Orgeln, Streicher und Gitarren, die alle nach 60er und 70er Soul klingen. Allgemein sind die Klänge alle sehr wavy, als würden die Töne einen umarmen und die Welt für eine Weile auf Zeitlupe stellen. Die Songs sind größtenteils eher kurz gehalten und mit vielen Beatwechseln fließt das ganze Album so vor sich hin und nimmt Hörer*innen mit auf diese Traumreise.
R.A.P. Ferreira trägt über diese trippy Soundkulisse seine komplexen Reimstrukturen und stolpernden Flows mit der größtmöglichen Gleichgültigkeit vor, immer wieder rutscht er dabei ins Sprechen oder lockeren Gesang ab und präsentiert sich als selbsternannter Dichter und Poet. Mit seinem ungewöhnlichen Wortschatz gibt er sich ebenso intellektuell wie spirituell: "So I don't think I'll be watching Dancing with the Stars this evening / I'll probably be busy watching the stars this evening" gibt er auf "high rise in newark" zu verstehen. Trotz seiner künstlerischen Ambitionen nimmt er sich allerdings auch nicht zu ernst. Eine der wenigen wiederkehrenden Hooks des gesamten Projektes findet sich auf "redguard snipers" featuring SB The Moor.

Auf Songs wie "yamships, flaxseed" oder "listening" brechen die Jazz-Akkorde auf dem Piano derart aus dem Rhythmus und traditionellen Akkordstrukturen aus, dass sie geradezu avantgardistisch, wie zufällig platziert wirken. Auf der anderen Seite beinhalten die sehr experimentell gehaltenen Produktionen moderne Komponenten wie gepitchte Vocals, viele Delay- und Reverb-Effekte, wummernden Bass und glitchy Elemente. Gemischt mit der rauchschwadengeschwängerten Schlafzimmer-Soundästhetik von 2000er MPC Helden, klingt dieses Album gleichermaßen dem Oldschool Hip-Hop verpflichtet wie extrem modern.

Das 35 Minuten lange Projekt gibt sich genau soweit experimentell und künstlerisch, dass es gut zugänglich und gleichbleibend unterhaltsam bleibt. Nach dem Hören fühlt man sich ein bisschen wirr und schwindelig im Kopf, aber auf eine sehr angenehme Art und Weise. Der möglicherweise als Art Rap zu bezeichnende Stil, den R.A.P. Ferreira auf diesem Album präsentiert und der auch von anderen Underground Rapper*innen wie Navy Blue oder Open Mike Eagle auf ähnliche Weise praktiziert wird, ist auf jeden Fall ein sehr frisch klingendes und spannendes Phänomen. Grade die beschriebene Mischung aus oldschooliger Jazz-Soundästhetik und moderner Produktion macht den Charme des Projektes aus.


Zum Schluss hier noch einmal das besagte Gedicht namens The Truth von Ted Joans, das auf "sips of ripple wine" gesamplet wird, einfach, weil ich es so schön finde:

if you should see
a man
walking down a crowded street
talking aloud
to himself
don't run
in the opposite direction
but run towards him
for he is a POET!
you have NOTHING to fear
from the poet
but the TRUTH

Quelle: https://www.tedjoans.com/books/the-truth/ [17.03.2021]

Kommentare